Vergangenen Monat war ich für Euch auf der chor.com unterwegs, um die neuesten Anregungen, die vorherrschenden Themen und die aktuellen Neuerscheinungen auf dem Markt zu checken.
Eines der großen Themen momentan ist das Thema "Singen im Alter"; nachdem unsere Gesellschaft ja immer älter wird, durchaus für jeden ein Thema! (siehe auch den Blog zur chor.com)
Unter anderem besuchte ich einen Workshop, in dem Jutta Michel-Becher ihre Erfahrungen mit ihrem Seniorenchor schilderte und einige der Kompositionen aus ihrem Seniorenchorbuch "Silberklang - ein Leben lang" aus dem Schottverlag mit uns sang. Ihr Chor ist ca. 40 Personen stark und der Altersdurchschnitt liegt bei 80 Jahren!!
Was ich spannend fand: die Tipps zum Gelingen eines Projekts "Seniorenchor" sind absolut praxisnah - und teilweise erkannte ich meine Sänger aus den verschiedenen Chören wieder, die doch noch nicht ansatzweise so alt sind!
Aber das Achten auf eine gute Beleuchtung, auf Bücher, die nicht zu schwer sind und damit das Halten anstrengend machen oder auch die Tatsache, dass man einen Probenraum braucht, der gut erreichbar ist - das sind alles Dinge, die eigentlich JEDEN Chor betreffen und den Probenbesuch erleichtern.
Andere Erfahrungen leuchten genauso ein: dass man die Probenzeit für Senioren lieber auf den Vormittag legt; dass 70min Probe reichen; dass es gut ist, zwischendurch eine kurze Trinkpause zu machen.
UND: dass der Chor IM SITZEN auftritt.
Was für den kraftstrotzenden, energiegeladenen und ambitionierten Chorleiter erstmal absolut unvorstellbar klingt, ist bei näherem Hinschauen doch eigentlich selbstverständlich. Wenn die Kraft weniger wird, muss man sich entscheiden, wofür man sie aufbringen will. Und lieber habe ich engagierte Sängerinnen und Sänger vor mir sitzen, als dass ich einen kläglichen Sound bekomme, weil alle Kraft für das "Drumherum" aufgebraucht wird.
Und da der durchaus nachvollziehbare Tipp, den Chor doch instrumental zu unterstützen und durch Zwischenspiele bei den einzelnen Strophen etwas zu entlasten und eine Verschnaufpause zu gönnen, ergibt sich ein stimmiges Bild. Denn immer wieder habe ich das Problem, dass mich der stehende Chor, wenn ich am Klavier sitzend begleite, überhaupt nicht sehen kann!
Du hast einen "ganz normalen" Chor und keinen Seniorenchor? Trotzdem glaube ich, dass die spezifischen Fragestellungen und die Lösungsansätze von Jutta Michel-Becher auch für andere Chöre hilfreich sind.
Ich habe einen Jugendchor gesehen, der eine Rollstuhlfahrerin dabei hatte - diese hatte einen Mechanismus zum Hochfahren des Sitzes, sonst wäre der Höhenunterschied für das gemeinsame Singen wohl problematisch geworden!
Ein bekannter Jazzchor konzertierte mit einer hochschwangeren Sängerin - und weil es wohl zu anstrengend für sie geworden wäre, die ganze Zeit zu stehen, hat sie das erste Drittel des Konzerts auf einem Barhocker gesessen.
Mit anderen Worten: ein Chor wirkt immer dann symphatisch und authentisch, wenn er nicht vergisst, dass da einzelne Menschen mit ihren spezifischen Themen und vielleicht auch Problemen sind, denen es gerecht zu werden gilt! Ob man das mit der Lehrmeinung des Chorleitens und Chorgesanges in Einklang bringt, hängt vom jeweiligen Thema ab. Aber wenn die Lösung für den Chor gut ist - dann ist es gut! Also habt Mut, herumzuprobieren und eure ganz eigene Lösung zu finden!!
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