Immer wieder bekomme ich mit, dass in Chören die Nerven kurz vor dem Konzert blank liegen. Und dass in letzter Sekunde noch eine extra Probe eingeschoben wird...
Bitte nicht böse sein, aber: wenn das öfter vorkommt, machst Du Deinen Job nicht gut!
Du bist nicht nur der musikalische Leiter - Du bist auch der "Probenmanager", wenn man so will.
Unter #probenplanung findest Du schon einige Blogeinträge, aber ich möchte hier noch einmal explizit über das Zeitmanagement reden.
Wenn Du einen Chor NEU hast, solltest Du Dir sowieso genug Zeit nehmen bis zum nächsten Auftritt. Und wenn das nicht möglich ist, solltest Du den Großteil Deines Programms etwas UNTER dem Niveau deines Chores wählen. Das macht Probenzeit frei, die Du dafür nutzen kannst, Deinen Chor besser kenn zu lernen und an Grundlangen zu arbeiten. Außerdem singt Dein Chor entspannter, wenn er das Stück als leicht empfindet und Du kannst es dafür mit netten Choreographien oder ungewohnter Choraufstellung etc. aufpeppen.
Meistens hast Du Deinen Chor aber schon länger und kennst die einzelnen Personen und die chortypischen Probleme, die auf dich zukommen können. Sei es, dass Du eine Vielzahl von Leuten hast, die gerne erst in den letzten Proben dazu kommen. Sei es, dass Dein Chor früher schwerere Stücke gesungen hat und immer wieder nach solchen ruft, obwohl es sie inzwischen eigentlich überfordert. Oder sei es, dass Leistungsträger wegen Urlaub, Krankheit oder sonstiger individueller Planung öfter nicht da sind.
NImm Dir doch nach dem nächsten stressbeladenen Konzert einmal Zeit und schreibe auf, was Deiner Analyse nach zu diesem Stress geführt hat. Meistens reicht es schon, sich konkret damit zu befassen, um dem Problem - und damit auch dem Lösungsansatz - näher zu kommen!
Vielleicht kommt bei Deiner Analyse etwas heraus, was Du gar nicht wissen willst. Nehmen wir z.B. einmal an, Dein Chor - und DU - will schwerere Stücke singen, als mit der derzeitigen Besetzung möglich ist.
Das ist verständlich, denn es gibt wirklich wunderbare - leider schwere - Stücke!!
Die gute Nachricht: es gibt auch wunderbare leichtere Stücke!
Hier kommt natürlich Arbeit auf Dich zu, denn Du musst Dich auf die Suche danach machen! (Vielleicht findets Du auf der choriphae-Bibliothek etwas?)
Aber warum solltest Du das tun?
Zum einen ist Stress ungesund - für Dich und auch für Deinen Chor! Die positive Wirkung, die gemeinsames Singen eigentlich hat, kannst Du nicht nutzen, wenn Deine Nerven aufgrund von Zeitdruck blank liegen.
Dazu kommt: Stress macht anfällig für Mißverständnisse, Mißstimmungen, ungewollte Formulierungen, unpassenden Tonfall etc.
Mit anderen Worten: das Chorsingen macht keinen Spaß mehr, weil die Stimmung in der Probe mies ist.
Das Singen macht auch keinen Spaß mehr, wenn ich mich als Sängerin oder Sänger ständig überfordert fühle, wenn mein Chorleiter unzufrieden ist und mich das auch spüren lässt, wenn meine Leistung nicht reicht, obwohl ich alles gebe...
Und Du als Chorleiter hast auch keinen Spaß mehr, weil keine Energie zurückfließen kann, weil keine Zeit für Gelächter oder genußvolles Singen in der Probe bleibt, weil die Anspannung vor dem Konzert im schlechtesten Fall keine konzentrierte und inspirierende, sondern eine blockierende und wahrnehmungsverengende ist.
Und das alles dafür, dass Du ein schweres Stück aufgeführt hast? (...was viele sowieso nicht einschätzen können...)?
Back to the roots - geh doch einfach einen Schritt zurück, hol Deinen Chor dort ab, wo er ohne Anstrengung sein kann und mache aus den Gegebenheiten das Beste. Das Ganze mit Freude und guter Stimmung - und Du wirst sehen, dass sich das VIEL BESSER anfühlt, als mit Macht etwas angeblich besseres erreichen zu wollen!
Dein Chor wird es dir mit guter Stimmung, besserem Probebesuch und viel Lust am Tun danken - und irgendwann könnt ihr dann vielleicht sogar wieder etwas Schweres in Angriff nehmen.... FALLS ihr das dann wollt!
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