Wie bist Du eigentlich zum Chorleiten gekommen?
Eines Tages bist Du aufgewacht und wusstest: ich will einen Chor leiten. Dann hast Du Dich an den zuständigen Verband gewandt, der hat Dich ausgebildet und anschließend hat Dich Dein Chor angestellt.
:D :D ...so war es sicher höchstens in Ausnahmefällen!
Viel wahrscheinlicher: irgendjemand hat Dich - bestenfalls schon als Kind - mitgenommen zum örtlichen Chor. Die Gemeinschaft und auch das Musikmachen hat Dir vielleicht gefallen und weil Du Dich ganz gut angestellt hast, hat Dich irgendwann Deine Chorleitung angesprochen und Dich zu einer Schulung mitgenommen oder geschickt. Dann hat sie Dich nach und nach in die Pflicht genommen - und irgendwann hast Du dann Deinen eigenen Chor übernommen.
Wenn ich mir überlege, wie ich zur Musik gekommen bin und wieviele Menschen daran beteiligt waren, mich auszubilden, komme ich ohne Umschweife zu einer klaren Erkenntnis: wenn ich nicht undankbar sein will, muss ich selber genauso viel tun, damit nach meiner Zeit auch wieder junge Leute da sind, die Chöre leiten können und wollen!
Tja - ich habe aber keine jungen Leute in meinem Umfeld! so höre ich den ein oder anderen sagen... Wirklich??
Deine Chorsängerinnen und -sänger haben keine Kinder und Enkel? In deiner Gemeinde, deiner Nachbarschaft gibt es keine Menschen unter 60 Jahre? Und wer sagt überhaupt, dass Nachwuchs jung sein muss?
Du merkst: ich lasse keine Ausrede gelten.
Aber ich weiß auch: es ist nicht einfach. Und es geht nicht schnell.
Daher habe ich Deinen Blick am Anfang auch auf Deine eigenen Wurzeln gelenkt. Denn wenn Du wirklich etwas für den Fortbestand des Chorsingens und - leitens tun willst, muss es zu Deiner Herzensangelegenheit werden. Es muss aus Deinem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die einst ihre Energie und Zeit geopfert haben, um Dir das Nötige beizubringen und Dich mit dem "Chorgesang-Virus" anzustecken, herkommen. Denn Du darfst keinen sichtbaren Erfolg oder Dankbarkeit deines Umfelds erwarten - dazu ist diese Arbeit zu leise, zu stetig - aber auch nachhaltig!
Was Du konkret tun kannst, ist, eine Atmosphäre des Probierens, des Lernens, der Offenheit für Lernende zu kreieren.
Das fängt bei neuen Sängern im Chor an, die ihr herzlich aufnehmt und denen ihr Mut macht, dass alles eine Frage der Übung ist und sie sich zu Beginn nicht entmutigen lassen sollen. Das ist eine wertschätzende Atmosphäre in der Probenarbeit, die jeden Fehler als Möglichkeit begrüßt, sich verbessern zu können.
Das können dann aber auch Angebote sein, die allen, die wollen, die Grundschläge des Dirigats beibringen; Fortbildungstage für deinen Chor, wo man das Notenlesen und Blatt singen, die Namen der Intervalle oder Grundwissen über Notation beigebracht bekommt. Oder einen Chortag, wo ein Gastchorleiter mal neue Stücke mit deinem Chor probt und er so aus den eingefahrenen Bahnen geführt wird (und hinterher meist wieder dankbar sein wird, dass Du das Zepter übernimmst! ;-))
Hab keine Angst! Du züchtest Dir keine Konkurrenz heran! Denn was Dein Chor an Dir zu schätzen weiß, ist ganz speziell und personenbezogen. Es schadet aber nicht, wenn Du auch einmal Vertretungen oder ergänzende Chorleiter in der Peripherie hast. Und eines Tages kannst Du Dich dann guten Gewissens zurückziehen oder nur noch die Sachen machen, die Dir Freude machen - und trotzdem sind da andere, die Deinen Job übernehmen können!
Und sollte mal einer Deiner Zöglinge tatsächlich richtig gut werden - na, dann macht Dich das doch erst recht stolz und auch Deinen Chor, denn ihr könnt immer sagen: der Leiter des Berliner Rundfunkchores (oder was auch immer) - das ist einer von uns!!
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