Das Wort "Inklusion" darf zur Zeit in keiner Sonntagsrede fehlen; wer sich als modern und zukunftsgewandt erweisen will, muss den Aspekt Inklusion mitbedenken und so werden viele Initiativen vorgestellt, die sich dem ein oder anderen Aspekt von Inklusion annehmen und die dann auch dementsprechend gefördert werden.
Warum bekommen wir Chöre nicht generell solche Förderungen und die entsprechende Aufmerksamkeit?
Wir tun seit Jahrhunderten nichts anderes als inklusive Gemeinschaften zu sein!
Chöre - zumindest "normale" Laienchöre - sind schon immer generationsübergreifend, inklusiv und auch international tätig.
In den Singvereinen, Chorgemeinschaften und Dorfchören, die es in Deutschland schon seit ewigen Zeiten gab, war (und ist) es selbstverständlich, dass jeder mitmachen darf, der will. Für Menschen, die einen etwas ambitionierteren Chorklang "stören", weil sie vielleicht mit ihrer Stimme nicht so zielgerichtet umgehen können, fand der Gesangsverein immer einen extra Job, der die Zugehörigkeit unterstrich, ohne dabei mit "Brummern" oder ähnlichem den gewünschten Klang zu unterlaufen. Ab einer bestimmten Größe kann man im Chor auch den ein oder anderen stimmlich Ungeübten mitnehmen, ohne dass im Publikum der Klang merklich verfälscht wird. Für manch einen, der vielleicht geistig eingeschränkt ist, ist die Chorprobe das Highlight der Woche und der Kontakt mit den anderen Singenden nimmt im das Gefühl, er sei nichts wert oder hätte keinen Platz in der Gesellschaft: im Chor ist er einfach eine Stimme wie jeder andere auch - und vielleicht sogar mit seinem Eifer ansteckend für viele andere, die so vieles als selbstverständlich ansehen und manchmal vergessen, dass sie aus Freude im Chor sind!
Im Chor kommen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zusammen: der Maler und der Professor, der Rechtsanwalt und der Verkäufer, die Oma und die IT-Spezialistin, der Rentner und die Abiturientin - wo sonst kann man noch Menschen jenseits seiner Blase nicht nur treffen, sondern kennen lernen und gemeinsam etwas erleben, miteinander lernen und feiern?
Schon immer haben mehrere Generationen in Chören gesungen, was natürlich immer wieder zu Diskussionen und im besten Falle inspirierenden Anregungen geführt hat - aber mindestens zu einer Möglichkeit, aufeinander zu treffen, miteinander etwas zu erleben und sich gemeinsam für eine Sache zu engagieren. Die "Alten" drucken sich ihre Noten in doppelter Größe aus und markieren sich alles mit Leuchtstift - die "Jungen" sitzen mit ihrem Notepad daneben und stellen ihre Displayhelligkeit passend ein. Und beide singen in derselben Stimmgruppe und kämpfen an den schwierigen Stellen miteinander um die richtigen Töne....
Im Chor singt der Engländer neben dem Franken, der Saarländer sitzt hinter der Hanseatin und die Chilenin wechselt sich mit ihrem schwäbischen Mann mit dem Kinderdienst ab, damit jeder die Chance hat, weiter im Chor mit zu singen. Und wenn das französische Lied gesungen wird, kämpfen alle - außer dem Saarländer - mit der Aussprache!
Im Chor ist inklusives Leben schon seit Generationen Alltag!
Wir sollten das als erprobte Kompetenz und bereichernde Chance sehen und auch entsprechend nach außen kommunizieren.
Denn von uns kann die ein oder andere Institution, die sich lobenswerterweise um Inklusion bemüht, ja vielleicht sogar noch etwas abschauen...
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